Station 1: Was ist Homöopathie
Eine Frage die schon fast ein Urteil beinhaltet, wenn man nicht vorsichtig ist. Daher zuerst ein paar Worte über die Homöopathie (ohne deren praktische Anwendung, die hier unwesentlich ist) und dann eine kurze historische Einführung. Eine kleinen Warnung gleich vorweg. Sollten Sie lieber nichts erfahren wollen welche Vorstellungen Hahnemann hatte, welchen Irrtümern er erlegen ist und warum manches in der Homöopathie so ist wie es ist, dann lassen sie den historischen Umweg einfach weg. Damit das jetzt nicht so rüberkommt, als würde ich für einen Idioten halten muss ich hier noch klarstellen. Hahnemann ist eine faszinierende Persönlichkeit und ich finde es extrem positiv, dass er versuchte die damals noch angewendeten Methoden in der Medizin NICHT anzuwenden. Er versuchte auf seine Weise Arzneimittelsicherheitstest und Wirkungsstudien in die Medizin einzuführen. Zudem war er noch Chemiker und ist mir daher schon alleine deswegen sympathisch. Doch er war ein Kind seiner Zeit und seines Wissens, was NICHT seine Verantwortung ist, aber WIR sollten das berücksichtigen, wenn wir auf seine Werke aufbauen.
Also vorweg einmal, auch wenn es manche anders behaupten, an Homöopathie ist nicht schwieriges (was aber natürlich nicht für die praktische Anwendung gelten mag) oder gar geheimnisvolles.
Homöopathie ist eine medikamentöse Behandlungsform.
Also die Wirksubstanz ist das homöopathische Mittel. Alles andere dient nur dazu um:
- Die „Heilwirkung“ der Mittel zu erzeugen und zu kennen (Potenzierung und Arzneimittelprüfung).
- Oder um das richtige Mittel auswählen zu können (Anamnese und Ähnlichkeitsprinzip).
Soweit alles klar?
Natürlich gibt es viele Aussagen, die für die korrekte Anwendung (nach Hahnemann) wichtig sind, doch für das grundsätzliche Verständnis nicht notwendig sind.
Nach der homöopathischen Vorstellung ist JEDE Krankheit auf eine Veränderung der „Lebenskraft“ eines Menschen zurückzuführen und nicht auf „organische“ Ursachen. Mehr dazu in der historischen Einführung.
Entscheidend sind für das Verständnis drei Punkte. Potenzierung, Arzneimittelprüfung und das Ähnlichkeitsprinzip. Die Anamnese dient dazu um den Symptomzustand der Menschen zu ermitteln und ist eigentlich für mich hier nur der Praxis wegen von Bedeutung (wie im Vorwort geschrieben lasse ich gewisse Aspekte beiseite, wenn sie Umwege wären).
Die Arzneimittelprüfung liefert die Symptomliste und das Ähnlichkeitsprinzip sagt uns, was wir damit machen können, während die „Potenzierung“ uns sagt, wie die Arzneimittel hergestellt werden müssen (Naja man kann natürlich auch nicht potenzierte Mittel verwenden, aber ich habe eigentlich gerade bei klassischer Homöopathie nie von einer direkten Anwendung gelesen, auch wenn es sicher Leute gibt die dies so praktizieren).
Also um es kurz zu fassen, sagt die Homöopathie, dass eine Substanz in „höherer Konzentration“ bei einem gesunden Menschen bestimmte Symptome hervorruft, gegen die das Mittel dann in „verdünnter“ Form wirkt. Das war schon das ganze Geheimnis der Homöopathie.
Nur ein paar Punkte sollte man noch erklären:
„Hohe Konzentration“ bedeutet nach Hahnemann etwa D30 (diese Verdünnung schlägt er für die Arzneimittelprüfung vor). D30 bedeutet eine Verdünnung von 10-30 (=0,000000000000000000000000000001).
Unter Symptom muss man sich ALLES vorstellen, was bei den Testpersonen auftritt. Es wird also nicht versucht zwischen unspezifischen und spezifischen Symptomen zu unterscheiden, ja nach homöopathischer Vorstellung sind ALLE Symptome URSÄCHLICH durch das Mittel verursacht.
Weiters wird „gesund“ erwähnt, ohne dass die Homöopathie definiert was man unter gesund zu verstehen hat, aber gleichzeitig darauf aufbaut. Denn immerhin stellt sich einerseits die zentrale Frage bei wem man ein Mittel testen kann, andererseits ist unter den Bedingungen der Homöopathie KEIN Mensch nicht behandelbar, also quasi immer krank. Ich gehe der Einfachheit einmal davon aus, dass die Homöopathen Regeln dafür haben, wann ein Mensch für einen Arzneimitteltest geeignet ist und wann nicht, aber das zweite Problem ist per Definition nicht lösbar und es bleibt wohl dem Homöopathen selber überlassen, das er feststellt, dass ein Patient trotz vorhandener Symptome nicht behandelt werden muss.
Jetzt kommt der schon erwähnte Teil über die Geschichte der Homöopathie. Bitte nur lesen, wenn sie die Wahrheit wissen wollen und nun ja … .
Also Homöopathie wurde etwa um 1790 vom Arzt Samuel Hahnemann entwickelt worden. Da er die brachialen Methoden seiner Kollegen (Aderlass, Quecksilbermedikamente, Brechmittel, Durchfallmittel, …) ablehnte, arbeitet er mehr als Chemiker denn als Arzt. So übersetzte er verschiedene chemische Werke ins Deutsche, so auch Arbeiten des Pharmakologen Dr. William Cullen (1710-1790). Dabei stieß er auf eine Abhandlung über Chinarinde als Chemotherapeutikum, wobei er der Meinung war, dass ihre Heilkraft gegen das Wechselfieber (=Malaria) auf ihrer magenstärkenden Wirkung beruht. Dies wollte Hahnemann im Jahre 1790 nachprüfen. Generell muss erwähnt werden, dass Cullen, ebenso wie Brown (1735-1788) und Michael Alberti (1734) „naturphilosophische“ bzw. „okkulte“ Auffassungen hatten, ähnlich wie schon Paracelsus, auf den sich Hahnemann ausdrücklich bezieht. Alle (fünf) sahen bei Krankheiten nicht verschiedene Ursachen vorliegen, sondern interpretierten alle pathologischen Erscheinungen als Störungen einer Lebenskraft, der „vis vitalis“. Dies muss als Grundlage der Homöopathie verstanden wissen, denn ohne diese Vorstellung macht keiner der folgenden Ergebnisse und Gedanken einen Sinn.
Hahnemann nahm also Chinarinde in einem Selbstversuch ein. Chinarinde enthält den pharmakologisch wirksamen Stoff Chinin. Chinin ist ein Alkaloid, welches fiebersenkend wirkt. In höheren Dosierung wird durch Chinin das Hämoglobin des Blutes gebunden, was zu einer Methämoglobinie führt und sich durch den gesenkten Sauerstofftransport (Zyanose) mit Schwindel, Benommenheit, Kopfschmerzen und mit erhöhten Herzschlag bemerkbar macht, aber die Körpertemperatur senkt.
Hahnemann entwickelte im Laufe der Versuche die Meinung, dass er Wechselfieber Symptome zeigte, was er aber durch den erhöhten Puls feststellte (das Fieberthermometer wurde erst wenig später erfunden). Zudem kann man davon ausgehen (es liegen ja Hahnemanns Aufzeichungen zumindest teilweise vor), dass es durch die Einnahmezyklen und die Dosierung zu dem Phänomen des „Wechselfiebers“ kam. Genau genommen stimmt nicht einmal das, denn für Malaria sollen ja schweißige“ Fieberschübe charakteristisch sein, während Chinin (durch UNTERtemperatur) einen trockenen Schüttelfrost auslöst (siehe auch Krämer und Habermann), was man auch in Hahnemanns Protokellen finden dürfte.
Man kann also davon ausgehen, dass er die pharmakologischen Tatsachen im Lichte seines Wissens und seiner Erwartungen einfach falsch interpretierte. Gerade wenn er – wie manche zur Rettung des Versuches annehmen, was aber nach seinen eigenen Berichten eher nicht glaubwürdig ist – an einer seltenen Allergie gegen Chinin litt, ist es fraglich ob eine Verallgemeinerung dieser Erfahrung Sinn macht.
Generell muss auch hier erwähnt werden, dass nicht nur die „vis vitalis“ ein bereits bekannter Gedanken war, auch kann davon ausgegangen werden, dass Hahnemann den elementaren Gedanken seiner Therapie: „similis similibus curentor“ bereits VOR dem Versuch kannte. Wahrscheinlich hätte er ohne diesem Wissen die Resultate nicht so interpretiert, wie er es tat, weil er eben Paracelsus (1493-1541), Agrippa von Nettesheim (1456- 1535) oder Hippokrates (460-370 v Chr.) kannte.
Da dieses Prinzip aber dann bei den anderen Mittel nicht so funktionierte, kam er auf den (lebensrettenden) Gedanken der Verdünnung.
Selbst andere „naturphilosophische“ Ärzte (etwa Johann Christian August Heinroth (1773-1843)) der Zeit lehnten die Homöopathie und bereits wenig später gab es die ersten Plazebo kontrollierten Versuche ob Homöopathie wirkt, aber diese waren durchwegs negativ verliefen (3×1834, 1835, 1837). Schon (1821) zuvor misslangen Versuche das Chinarindenexperiment zu wiederholen.
Später im Nationalsozialismus wurde versucht die „jüdische“ Medizin durch „deutsche“ Errungenschaften zu erweitern und vor allem Hess und Himmler setzten sich für die Homöopathie und auch die Schüsslersalze (die man als Abspaltung der Homöopathie betrachten kann) ein. Es kam also zu den staatlich geforderten Untersuchungen, die absolut negativ für die untersuchten Therapien ausging. Zumindest soweit man das sagen kann, denn die Unterlagen der Versuche überlebten zwar den Krieg, gingen aber nach einer Beratung des Zentralverbandes homöopathischer Ärzte „verloren“. Es blieben nur Zeugen und einige wenige Dokumente über. Doch darin meinte etwa Hanns Rabe (Vorsitzender des DZVHÄ!) das diese Studien (über die Homöopathie) ein Desaster sein und er versuchen wolle sie zu sabotieren wenn er nur könne. Weiters gab er zu, dass er von den im Repetitorium von J.T. Kent erwähnten Arzneimittelbildern nur etwa 5-10% für verlässlich hielt. Also das man 90-95% des Buches NICHT brauchen kann. Angeblich sagte er (Hans Rabe) auch:
„Wir (die Homöopathen) können doch gar nicht was wir behaupten“
„Was weiß unsereiner über Sepia? Möglicherweise sind alle in den Arzneimittellehren gebrachten Sepiasymptome reine Phantasiegebilde?“
„Aber so stellen wir Homöopathen uns die Dinge vor!“
So jetzt aber weiter zu unserer nächsten Station und ab jetzt können wir wieder „lieb“ sein.
Pingback: Bekennen sich die Homöopathen endlich zum Placebo-Effekt? @ gwup | die skeptiker